Ausstellung mit Manfred G. Schwellies (Bad Karlshafen, Fotografie) und Berthold Grzywatz (Plastik)
7. Juni 2024 bis 19. Juli 2024
Berthold Grzywatz
„Heroes of Work“.
Eine Ausstellung mit Fotografien von Manfred G. Schwellies und Plastiken von Berthold Grzywatz
Unter dem Titel „Heroes of Work“ zeigt die Galerie [ Der Lokschuppen ] eine künstlerische Kooperation des Fotografen von Manfred G. Schwellies und des Bildhauers Berthold Grzywatz.
Manfred G. Schwellies, zurzeit in Bad Karlshafen lebend, ist als Fotodesigner, Industrie- und Produktfotograf gefragt, zudem hat er sich international einen Namen in der künstlerischen Fotografie gemacht. Schon 1978 wird er auf der Photokina Köln für seine künstlerische Leistungen ausgezeichnet und nur wenige Jahre später in die Deutsche Gesellschaft für Photographie berufen. Seine Ausbildung erhält er zunächst im Fotostudio der Karstadt AG, anschließend an der Fachhochschule für Kunst und Gestaltung in Dortmund. Hier ist die Begegnung mit Pan Walther prägend, der sich weniger als Fotograf, denn als Lichtbildner versteht. Mit Licht bilden, ja malen, charakterisiert Walther seine Arbeitsweise, die in der Praxis auf einen virtuosen Umgang mit Licht und Schatten hinausläuft.
Mitte der achtziger Jahre unterbricht Schwellies seine freiberufliche Tätigkeit, um ein Studium der Theologie und Philosophie in Augsburg aufzunehmen. Nicht zufällig führt ihn das Studium künstlerisch mit den Themen Wahrnehmung, Persönlichkeit und Identität zur Fotocollage und experimentellen Portraitfotografie. Die Dokumentation bleibt unterdessen ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit, die uns in der Werkreihe „Heroes of Work“ begegnet. Schwellies zeigt in klassischer Schwarz-Weiß-Fotografie arbeitende Menschen in der Schwerindustrie. Die Werke sind innerhalb von sechs Jahren an den verschiedensten Stätten des In- und Auslands entstanden. Sie zeigen nicht den Menschen als Teil des industriellen Prozesses, sondern sie rücken den Arbeiter in den Mittelpunkt, porträtieren ihn vor dem Hintergrund von Werkstatt und Fertigung.
Die Werke stehen weniger in der Tradition der Sozialfotografie, die im Wege der Dokumentation gesellschaftliche Ungleichheit anklagt. Schwellies begegnet dem industriellen Arbeiter vielmehr mit einem objektiven Blick, wenn auch nicht ohne Empathie. Er schenkt den Menschen Raum, hebt sie aus der Anonymität des industriellen Stoffwechsels heraus, ohne sie außerhalb ihres sozialen Kontextes zu isolieren.
Mit dem Portrait des Arbeiters will Schwellies gleichermaßen seine Arbeitssituation hervorheben, die Bedeutung des industriellen Bereichs für die Reproduktion unserer Gesellschaft unterstreichen. Wenngleich der Anteil der Industrie und insbesondere der Schwerindustrie am Bruttoinlandsprodukt längst nicht mehr die erste Stelle einnimmt, so steht seine zentrale Stellung innerhalb der Gesamtwirtschaft nach wie vor außer Frage. Zu bedenken ist, dass die Industrie vielfältig organisiert wird. Denken wir etwa an die Metallbranche, so geht es um die Aufgaben des Herstellens und Verarbeitens von Stahl und Nichteisenmetallen. Neben dem Gießerei- und Verfahrensmechaniker steht der Anlagen-, Zerspannungs-, Werkzeug- und Industriemechaniker. Allesamt Facharbeiter mit einem mittleren Einkommen, die keineswegs von sozialen Nöten berührt werden. Dennoch sind sie in der gesellschaftlichen Wahrnehmung unterrepräsentiert, bleibt ihre Lebenswelt diffus und ohne wirkliches Interesse seitens der Allgemeinheit.
Auf das Wahrnehmungsdefizit möchte Schwellies mit seinen Arbeiten aufmerksam machen und den gesellschaftlichen Blick auf die Industriearbeit differenzieren. Die künstlerische Intention wird folglich weniger sozialpolitisch motiviert als gesellschaftskritisch geprägt, indem sie Selbstverständnis und Identität der Gesellschaft hinterfragt.
Künstlerisch verwundert es nicht, dass Schwellies kaum einen sozialdokumentarischen Fotografen, wie beispielsweise die Amerikaner John Gutmann und Lewis W. Hine oder den 1964 in Köln verstorbenen Otto Sander, zu seinen Vorbildern zählt. Es sind eher Portraitfotografen wie Irving Penn, Edward Steichen oder Richard Avedon, die das Werk von Schwellies beeinflusst haben. Die Genannten haben sich auch als Mode- und Werbefotografen einen Namen gemacht, getrieben von einem universalen Interesse am Menschen, mal psychologisierend und studiobesessen, mal stilisierend, an formaler Komposition interessiert.
Für meine von der Abstraktion lebende Kunst stellt das realitätsnahe, dokumentarische Portrait eine Herausforderung dar, auf die ich variantenreich mit der Metallplastik reagiere. Die in Aluminium ausgeführten Werke sind – und darin liegt die Anknüpfung – Teil eines Fertigungsprozesses, der gleichsam industriellen Charakter trägt. Schließlich werden sie nach den Modellen des Künstlers in einer Gießerei hergestellt. Nach dem Guss bei Temperaturen von über 800° Celsius verlangen die Werke mannigfaltige Formen der Bearbeitung, die an den Schmutz der industriellen Rohstofffabrikation denken lassen. Am Ende, in der Ausstellungshalle, steht der Betrachter vor den hochpolierten oder gestrahlten Flächen der Plastiken, ohne von der Düsterheit der Herstellung etwas zu ahnen. Gleichwohl suchen sie in ihrer abstrakten Formensprache Strukturen unserer Wirklichkeit aufzuschließen. Sie suggerieren etwas anderes, um frei an Edward Steichens experimentelle Phase anzuknüpfen, als Bilder äußerer Objekte, indem die Werke zu Symbolen für abstrakte Zusammenhänge und Situationen werden.
Berthold Grzywatz
“Heroes of Work”.
An exhibition with photographs by Manfred G. Schwellies and sculptures by Berthold Grzywatz
Under the title “Heroes of Work”, the [ Der Lokschup-pen ] gallery is showing an artistic collaboration between the photographer Manfred G. Schwellies and the sculptor Berthold Grzywatz.
Manfred G. Schwellies, who currently lives in Bad Karlshafen, is in demand as a photo designer, industrial and product photographer and has also made a name for himself internationally in the field of artistic photography. As early as 1978, he was honored for his artistic achievements at Photokina Cologne and only a few years later was appointed to the German Photographic Society. He initially trained at the Karstadt AG photo studio and then at the University of Art and Design in Dortmund. It was here that he met Pan Walther, who saw himself less as a photographer and more as a photographer of light. Walther cha-racterizes his working method with light, even painting, which in practice amounts to a virtuoso handling of light and shadow.
In the mid-1980s, Schwellies interrupted his freelance work to study theology and philosophy in Augsburg. It was no coincidence that his studies led him artistically to photo collage and experimental portrait photography with the themes of perception, personality and identity. Meanwhile, documentation remains an important part of his work, which we encounter in the “Heroes of Work” series. Schwellies shows people working in heavy industry in classic black and white photography. The works were created over a period of six years at a wide variety of locations in Germany and abroad. Rather than showing people as part of the industrial process, they focus on the workers, portraying them against the backdrop of the workshop and production.
The works are less in the tradition of social photography, which laments social inequality through documentation. Instead, Schwellies approaches the industrial worker with an objective gaze, albeit not without empathy. He gives people space, lifts them out of the anonymity of industrial metabolism without isolating them outside their social context.
With the portrait of the worker, Schwellies also wants to emphasize his work situation and underline the importance of the industrial sector for the reproduction of our society. Although industry, and particularly heavy industry, no longer accounts for the lion's share of gross domestic product, its central position within the economy as a whole is still beyond question. It should be borne in mind that industry is organized in many different ways. If we think of the metal industry, for example, we are dealing with the tasks of manufacturing and processing steel and non-ferrous metals. In addition to foundry and process mechanics, there are also plant, machining, tool and industrial mechanics. All of them are skilled workers with a medium income who are by no means affected by social hardship. Nevertheless, they are underrepresented in social perception, their living environment remains diffuse and without any real interest on the part of the general public.
Schwellies wants to draw attention to the perception deficit with his works and differentiate society's view of industrial work. The artistic intention is therefore less socio-politically motivated than socio-critical in that it questions society's self-image and identity.
Artistically, it is not surprising that Schwellies hardly counts any social documentary photographers, such as the Americans John Gutmann and Lewis W. Hine or Otto Sander, who died in Cologne in 1964, among his role models. It is rather portrait photographers such as Irving Penn, Edward Steichen or Richard Avedon who have influenced Schwellies' work. The aforementioned also made a name for themselves as fashion and advertising photographers, driven by a universal interest in people, sometimes psychologizing and studio-obsessed, sometimes stylizing, interested in formal composition.
For my art, which is based on abstraction, the realistic, documentary portrait represents a challenge to which I respond in a variety of ways with the metal sculpture. The works executed in aluminum are - and therein lies the connection - part of a production process that has an industrial character, so to speak. After all, they are produced in a foundry according to the artist's models. After being cast at temperatures of over 800° Celsius, the works require various forms of treatment that are reminiscent of the dirt of industrial raw material production. At the end, in the exhibition hall, the viewer stands in front of the highly polished or blasted surfaces of the sculptures without suspecting anything of the gloominess of their production. Nevertheless, in their abstract formal language they seek to open up structures of our reality. They suggest something different, in order to tie in freely with Edward Steichen's experimental phase, than pictures of external objects, in that the works become symbols for abstract contexts and situations.