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Priv.-Doz. Dr. phil. habil. Berthold Grzywatz


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Spuren

„Spuren“. Skulptur und Fotografie. Einzelausstellung  

Ahnatal, Rathausgalerie

 

Spuren Nr. 1

Berthold Grzywatz

Spuren

 

 

Sprechen wir von Spur, denken wir spontan an Abdrücke im Boden, an den Verkehr, die Datenverarbeitung oder an die Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung, indem wir Anhaltspunkte für die Aufklärung eines Geschehens ausfindig machen. Spuren verweisen uns aber auch auf die Veränderung von Dingen, auf Anzeichen für Zustände, die in der Vergangenheit liegen. Spuren können also, wie die ursprüngliche Bedeutung des Wortes meint, hinterlassene Zeichen sein und damit stellt der Begriff einen Zusammenhang mit Erinnerung und Geschichte her.

Das kritische Gegenwartsbewusstsein, das sich über sich selbst aufzuklären versucht, bedarf zu seinem Ermöglichen der Erinnerung. Sie wird zum tragenden Moment kritischer Aufklärung, indem sie die Beziehung zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit aufbricht und das Vergangenheitsbewusstsein entstehen lässt. Die Erinnerung an die „Leidensgeschichte der Welt“ wird, wie Walter Benjamin schrieb, zum vermittelnden Element von Vernunft und Freiheit.

Das Erinnern räumt uns die Möglichkeit ein, die Macht der gegebenen Tatsachen zu durchbrechen, um Einsicht für Veränderungen zu gewinnen. Aber nur, wo zwischen Vergangenheit und Gegenwart ein stetiger Zusammenhang besteht, die Vergangenheit uns also etwas bedeutet, erscheint eine historische Reflexion möglich, mithin ein Begreifen des Gegenwärtigen von seiner Geschichte her. Diese kann uns folglich nicht gleichgültig sein, schon gar nicht darf sie in einem technologischen Gegenwartsbewusstsein entsorgt werden. Die Vergangenheit ist Grund für Gespräch und Reflexion, sie ist Bezugspunkt für einen Prozess des Erkennens, der sich den realen Fragen der Zeit stellt und auf zukunftsorientiertes Handeln setzt.

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte muss nicht unmittelbar ein Mehr an Menschlichkeit zur Folge haben. Auch können wir dadurch nicht eine direkte Beantwortung unserer Lebensfragen erwarten, aber, soweit wir vom Leben, von unserer gesellschaftlichen Praxis ausgehen, kann diese Auseinandersetzung helfen, uns zu „entschränken“. D. h., sie befähigt uns, mich und meine Vorurteile zu hinterfragen, vom Besonderen meines eigenen Ichs abzusehen und einen Blick für das Allgemeine zu erwerben. Wir können uns gleichsam zeitgemäß verstehen und über das historische Denken Lösungen für Probleme finden, die sich aus der besonderen Form unserer Gegenwart hinsichtlich der Zukunft ergeben.

Die Rolle der Kunst ist die Rolle der Entfremdung gegenüber der Welt der realen Auseinandersetzungen, erklärt Walter Schulz. Nehmen wir diesen Gedanken auf, wäre in Erinnerung unseres Eingangsbegriffs „Spuren“ zu fragen, auf was damit verwiesen werden soll. Welche Zeichen, welche Anhaltspunkte finden wir? An welche Vorgänge, an welche Zustände werden wir erinnert? Werden wir auf Stellungen und Linien oder auf Defizite aufmerksam gemacht, wenn wir uns noch einmal die Bandbreite der Bedeutungen des Begriffs „Spuren“ vor Augen führen?

Aber bevor wir hier Antworten finden, sollten wir die Bemerkung „zur Rolle der Entfremdung“ aufnehmen. Was ist damit gemeint? Schulz sieht die Kunst als ein Randphänomen des gesellschaftlichen Gesamtgeschehens, die im öffentlichen Bewusstsein keinesfalls mit der Lebensbedeutung der Wissenschaft konkurrieren kann. Sie „haltlos“, „gegenstandslos“ und somit „folgenlos“; aber gerade in ihrer Folgenlosigkeit liegt, so die vielleicht überraschende gedankliche Wendung, ihre zeitgemäße Funktion, da sie auf diese Weise befreiend wirken kann. Nicht in dem Sinne, dass sie von der Wirklichkeit enthebt, verbunden mit einem Ausbruch von Melancholie, sondern dass sie Begegnung ermöglicht, Begegnung mit dem Allgemein-Menschlichen und der Gültigkeit alles Menschlichen – eine Begegnung, die immer Teil unserer Existenz ist. Sie schließt den Widerspruch nicht aus, den zwingenden Blick auf den Unterschied von Sein und Sollen, von Wirklichkeit und Forderung.

Spuren vermitteln über das Erinnern Erfahrungen und Hoffnungen, Ängste und Sehnsüchte und geben möglicherweise Anstoß zu einer ethisch gebundenen Orientierung. Berthold Grzywatz geht von der Unsicherheit gegenwärtiger Existenz aus. Werke wie „Gespalten“, „Abwehr“ oder auch „Dominanz“ mit ihren offenen Formen, Materialgegensätzen und gebrochenen Texturen verhandeln die Wirkungen eines Konsensverlustes, der zugleich die Gefährdung der Integration stiftenden Werteordnung bedeutet. Dieser Verlust ist einerseits den politischen Krisenherden unserer Zeit geschuldet, andererseits erweist er sich aber – und das ist langfristig viel entscheidender – als eine soziale Folge der Globalisierung. Von Armut geprägte Menschen hoffen auf Teilhabe am Wohlstand, ohne dass dieses Bedürfnis auf allgemeine Akzeptanz trifft. Gegenüber einer durch Abgrenzung und Verweigerung genährten Radikalisierung muss genetisch an den Entwicklungszusammenhang des Wohlstands und unserer Werteordnung erinnert und in der Gegenwart ein rationales Handeln erzwungen werden. Wie schwierig sich diese Veränderung gestaltet, lassen Skulpturen wie „Brücke“ und „Wiedervereinigung“ ahnen, die vom Moment der Annäherung ausgehen, dennoch in ihrer Zerrissenheit zugleich die Brüchigkeit dieses Prozesses erkennen lassen.

Die Titel der gezeigten Skulpturen, die vom Künstler nicht ohne Grund gewählt wurden, müssen gerade unter dem Zeichen einer nicht identifizierbaren Gegenständlichkeit als Hinweise zum Verstehen gedeutet werden. Sie geben Aufschluss über die werkimmanente Problematik und die darüberhinausgehende inhaltliche Intention; sie sind Ausdruck vom Bewusstseinsraum sowie vom Wirklichkeitsverständnis des Künstlers. Dabei ist zu beachten, dass das individuelle Werk bei Berthold Grzywatz häufig zyklisch eingebunden und einer übergreifenden Thematik unterworfen ist.

Im Hinblick auf die fotografischen Arbeiten von Berthold Grzywatz wird dies insofern deutlich, als ein Grundthema in Variationen entfaltet wird. Gleichwohl folgt die Bildabsicht der grundlegenden Absicht, während die Variation das Sehen des Betrachters intensivieren soll – sowohl in Anbetracht der Dinge selbst als auch in Hinsicht auf dessen inneres Erleben. 

 

Spuren Nr. 5

Berthold Grzywatz
Traces


When we speak of traces, we spontaneously think of imprints in the ground, of traffic, data processing or law enforcement and crime-fighting by finding clues to clarify an event. But traces also point us to changes in things, to signs of conditions that lie in the past. Traces can therefore be signs left behind, as the original meaning of the word implies, and thus the term establishes a connection with memory and history.
The critical consciousness of the present, which attempts to enlighten itself about itself, requires memory to make it possible. It becomes the supporting moment of critical enlightenment by breaking the relationship between the present and the past and allowing the consciousness of the past to emerge. The memory of the "suffering history of the world" becomes, as Walter Benjamin wrote, the mediating element of reason and freedom. 
Remembering gives us the possibility to break through the power of given facts in order to gain insight for change. But only where there is a constant connection between the past and the present, where the past means something to us, does historical reflection seem possible, i.e. an understanding of the present from its history. Consequently, we cannot be indifferent to this history, and we certainly cannot dispose of it in a technological awareness of the present. The past is the reason for conversation and reflection, it is the point of reference for a process of cognition that faces the real questions of the time and focuses on future-oriented action.
Dealing with history does not have to directly result in more humanity. Nor can we expect a direct answer to our questions of life, but as far as we start from life, from our social practice, this confrontation can help to "unclutter" us. That is, it enables us to question myself and my prejudices, to refrain from the specifics of my own self and to acquire a view of the general. We can under to problems that arise from the particular form of our present with regard to the future.stand ourselves in a contemporary way, as it were, and use historical thinking to find solutions.

The confrontation with history does not have to result directly in an increase in humanity. Nor can we expect a direct answer to our questions about life, but, as far as we start from life, from our social practice, this confrontation can help us to "de-limit" ourselves. That is, it enables us to question myself and my prejudices, to refrain from the specifics of my own self and to acquire a view of the general. We can understand ourselves in a contemporary way, as it were, and use historical thinking to find solutions to problems that arise from the particular form of our present with regard to the future.

The role of art is the role of alienation vis-à-vis the world of real confrontations, explains Walter Schulz. If we take up this idea, we should ask, in memory of our initial term "traces", what is meant to be referred to by this. What signs, what clues do we find? What processes, what states are we reminded of? Are we made aware of positions and lines or deficits when we once again consider the range of meanings of the term "traces"?

But before we find answers here, we should take up the remark "on the role of alienation". What is meant by this? Schulz sees art as a marginal phenomenon of overall social events, which in the public consciousness can in no way compete with the vital importance of science. It is "groundless", "without object" and thus "inconsequential"; but it is precisely in its inconsequentiality that, according to the perhaps surprising intellectual conclusion, its contemporary function lies, since in this way it can have a liberating effect. Not in the sense that it relieves us of reality, associated with an outburst of melancholy, but that it enables encounter, encounter with the universal human and the validity of everything human - an encounter that is always part of our existence. It does not exclude contradiction, the compelling view of the difference between being and ought, between reality and demand.
Traces convey experiences and hopes, fears and longings through remembering and possibly give impetus to an ethically bound orientation. Berthold Grzywatz starts from the uncertainty of contemporary existence. Works such as "Gespalten", "Abwehr" or "Dominanz" with their open forms, material contrasts and broken textures negotiate the effects of a loss of consensus, which at the same time means a threat to the order of values that creates integration. On the one hand, this loss is due to the political trouble spots of our time, but on the other hand - and this is much more decisive in the long run - it proves to be a social consequence of globalisation. Poverty-stricken people hope to share in prosperity without this need meeting with general acceptance. In the face of radicalisation fuelled by exclusion and denial, we must remind people genetically of the developmental context of prosperity and our value system, and force them to act rationally in the present. Sculptures such as "Bridge" and "Reunification", which start from the moment of rapprochement but at the same time reveal the fragility of this process, give an idea of how difficult this change is.

The titles of the sculptures on display, which were not chosen by the artist without reason, must be interpreted as clues to understanding, especially under the sign of an unidentifiable objectivity. They provide information about the problems inherent in the work and the intention behind its content; they are an expression of the artist's space of consciousness and understanding of reality. It should be noted that Berthold Grzywatz's individual works are often cyclically integrated and subject to an overarching theme.
With regard to the photographic works of Berthold Grzywatz, this becomes clear insofar as a basic theme is unfolded in variations. Nevertheless, the pictorial intention follows the basic intention, while the variation is intended to intensify the viewer's seeing - both in view of the things themselves and with regard to their inner experience.

Spuren Nr. 3
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