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Priv.-Doz. Dr. phil. habil. Berthold Grzywatz


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"KÖRPERIDENTITÄTEN - 24. Juni - 27. Juli 2018

Berthold Grzywatz

 

„KörperIdentitäten“.

Ausstellungsprojekt und Werkzyklus

Nebeneinander I

Als historisch vermitteltes Sozial- und Einzelwesen unterliegt der Mensch dem Zwang zur Selbstdeutung. Er muss seine eigene Existenz definieren bzw. interpretieren und steht bei dieser Aufgabe in einem engen Zusammenhang mit herrschenden Selbstdeutungen sowie kulturellen Identifikationsmustern. Begreift man die Identität als Prozess, als lebenszyklische Leistung und als Kompetenzerwerb, so entfaltet sich in dieser Entwicklung die  Struktur des Ichs in seiner Verbindung von gesellschaftlichem und psychischem Sein.

 

Wird der Blick eher auf die psychische Seite der Identitätsbildung fokussiert, mögen lebensphasenabhängige Krisen besondere Beachtung finden. Wenn der Aspekt der Lebensbedingungen und –umstände des Ichs hervorgehoben wird, so sind es die kollektiven Krisen, das Versagen überlieferter Sozialtechniken und die Desynchronisation von Identitätsstrukturen, die in den Mittelpunkt des Diskurses geraten. Ungeachtet der Kontinuität oder Diskontinuität von Mustern der Selbstdeutung kann sich die Identitätsbildung weder in Selbsterkenntnis noch in einer Anpassung an gesellschaftlich anerkannte Verhaltensformen erschöpfen. Das Um-sich-Wissen verlangt eine Orientierung aus ethischer Verantwortung.

 

Sehen wir die Komplexität der modernen Gesellschaft seinsdialektisch als Geschehenszusammenhang, muss anerkannt werden, dass unsere Wirklichkeit unter Einheit und Differenz zu betrachten ist. Die Realität zerfällt in viele Einzelbereiche, die nicht aufeinander reduziert werden können, während wir die Wirklichkeit als Ganzheit durch die Tatsache erfahren, dass wir sie sowohl vermitteln als auch durch sie vermittelt werden. Das Ich kann insofern nicht an sich selbst als absoluten Bezugspunkt festhalten, in seiner geschichtlich-gesellschaftlichen Lebenswelt hängt es vom Bezug zu den Mitmenschen und der historischen Situation ab. Der in seine Situation hineingestellte moderne Mensch muss sich der Fragmentierung des Seins nach außen und innen sowie der Dialektik von Einheit und Differenz stellen. Das schließt auch den Gegensatz von Geist und Leib ein, den es ebenso real zu bewältigen gilt wie uns das Handeln zur Verwirklichung einer humanen Ordnung aufgegeben ist.

 

Künstlerisch werden die Probleme der Identität, der Fragmentierung und der Seinsdialektik von mir in einem neuen Werkzyklus mit den Mitteln Skulptur, Plastik und Fotografie aufgegriffen. Differierende Materialien, Formen und Bearbeitungsweisen sollen Gegensätze, Differenzen und Widersprüche, zugleich aber auch deren Vermittlung im Ich deutlich machen. Der dreifache Zugang folgt keinem grundlegenden einheitlichen Schema, so dass es bei den einzelnen Werkfassungen nur zu Variationen kommt, sondern das jeweilige Thema wird spezifisch in Material und Technik entwickelt.

 

Werden die dreifach angelegten Werke unter dem Begriff der Reihe subsumiert, haben wir in der ersten Reihe Plastiken unterschiedlicher Größe, die das Ausgangsmaterial Aluminium nutzen und im Sandgussverfahren hergestellt werden. Nach der Abformung und dem Gießen erfolgt eine unterschiedliche Nachbearbeitung, deren Ausgangspunkt stets im Bezug zur Oberflächenkonzeption steht. Je nach der gewünschten Körnung werden die Oberflächen mit Stahlschrot oder Glaskugeln behandelt und darüber hinaus in einzelnen Bereichen poliert. Auf diese Weise entstehen kontrastreiche Konturen, die im Spannungsverhältnis mit den äußeren Formen das konfliktreiche Außen und Innen der Identitäten symbolisch aufzeigen.

 

Thematisch kann dabei unter Umständen ein konkreter problematisierender Typus, d. h. eine abstrakte Person in Form einer Metapher, wie beispielsweise der „Marathonläufer“, angesprochen werden. In der Regel setze ich mich indessen mit Zuständen, Situationen oder Befindlichkeiten auseinander, die auf innere Probleme der Identitätsbildung verweisen. Genannt seien in dieser Hinsicht solche Werke wie „Kopfbahnhof“ oder „Transformationsgrammatik“.

 

Eine Ausnahme stellt die Arbeit „Sonne und Mond“ dar, denn hier werden insgesamt nur polierte Oberflächen, wenngleich mit Einsprengseln im Material, erzeugt, so dass die beziehungsreiche Spannung nur aus den Formen der Einzelteile resultiert. Der Titel deutet im Übrigen, das sei nebenbei bemerkt, nicht auf zwei universelle Symbole hin, sondern spielt auf das Hauptwerk des österreichischen Schriftstellers Albert P. Gütersloh an, dessen Hauptfiguren „zwei Funktionen einer einzigen Person“ darstellen und einander wie Sonne und Mond zugeordnet sind.

 

Die zweite Reihe besteht aus Skulpturen, deren Materialbasis Holz unter Zuhilfenahme von Holzspachtelmasse und Acryl bildet. Die Oberflächen sind in der Regel durch maschinelle Bearbeitung mit Sägen, Bürsten und Scheiben unterschiedlich konturiert, so dass überaus bewegte Flächen entwickelt werden konnten. Einzelne Stücke wurden nach dem Ansägen aus größeren Holzteilen herausgebrochen. Dadurch zeigen die Oberflächen tiefe Brüche und Einschnitte. Die Körper als Träger der um ihre Identität ringenden Personen bzw. deren Zustände spiegeln gleichsam nach außen den mühevollen Prozess der Suche nach individueller Identität wider. Formal mag der Eindruck entstehen, dass die Einheit der Person gesprengt, dass innen nach außen gekehrt und die Möglichkeit personaler Kohärenz verloren gegangen ist. Durch die weitere Behandlung der Oberflächen mit Metalleffektlacken in unterschiedlichen Farben wird diese Zerrissenheit relativiert, da die einheitliche Farbgebung wie ein integrierendes Gerüst wirkt. Gleichwohl wird damit nicht eine äußere Geschlossenheit des Körpers angestrebt, vielmehr werden durch den jeweiligen Metalleffekt Verfremdungen erzeugt, um die Fragilität der Ichbildung in unserer Zeit zu unterstreichen.

 

Zudem habe ich eine Parallelität in Form und Aufbau der plastischen Körper vermieden. Es können sowohl die Positionen auf den Basen als auch die Anlage der plastischen Objekte differieren. Die äußere Form wird mitunter soweit verändert, dass im Grenzfall nach den Gegebenheiten der äußeren Maße im Ansatz ein erheblich abweichendes, mithin neues Werk entsteht. Am prägnantesten wird das bei den Fassungen des „Migranten“ deutlich: Der hoch aufstrebenden, in einem Stück angelegten Metallplastik tritt eine wesentlich kleiner ausgeführte Holzskulptur gegenüber, die aus zwei Objekten besteht.

 

Eine Sonderposition nimmt im neuen Werkzyklus die Holzskulptur „Körperbild“  ein. Sie wurde nicht als Metallguss ausgeführt. In ihrer Vereinzelung und durch die in Form und Farbe auffällige Gestalt soll sie ein Bindeglied zwischen den Werkreihen bilden. Abschließend sei zu den Skulpturen angemerkt, dass einzelne Werke wie etwa „Der Marathonläufer“ (Metallguss) noch endgültig bearbeitet werden müssen.

Mit den fotografischen Arbeiten habe ich in einer dritten Werkreihe den Versuch unternommen, den Objekten durch Variationen des Ausschnitts, des Blickwinkels, der Anordnung sowie der Behandlung von Licht und Farbe bildlich eine eigenständige Wirklichkeit zu geben. Das Foto soll quasi zur Skulptur werden und damit neue Zugänge zu den plastischen Arbeiten eröffnen. Gleichzeitig ist es ein Spiel mit den „KörperIdentitäten“, deren innere und äußere Konsistenz sich nie eindeutig festlegen lässt.

 

OBEN UND UNTEN

Berthold Grzywatz


"BodyIdentities"
Exhibition project and cycle of works

 

As a historically mediated social and individual being, man is subject to the compulsion of self-interpretation. He has to define or interpret his own existence and in this task he is closely connected to prevailing self-interpretations as well as cultural patterns of identification. If one understands identity as a process, as a life-cycle achievement and as the acquisition of competence, the structure of the ego unfolds in this development in its connection between social and psychological being.
If the view is focussed more on the psychological side of identity formation, life-phase-dependent crises may receive special attention. If the aspect of the life conditions and circumstances of the ego is emphasised, it is the collective crises, the failure of traditional social techniques and the desynchronisation of identity structures that become the focus of the discourse. Regardless of the continuity or discontinuity of patterns of self-interpretation, identity formation can neither be exhausted in self-knowledge nor in an adaptation to socially accepted forms of behaviour. Knowing oneself requires an orientation out of ethical responsibility.
If we see the complexity of modern society in terms of the dialectic of being as a context of events, it must be recognised that our reality is to be viewed in terms of unity and difference. Reality breaks down into many individual areas that cannot be reduced to one another, while we experience reality as a whole through the fact that we both mediate it and are mediated by it. In this respect, the ego cannot hold on to itself as an absolute point of reference; in its historical-social life-world, it depends on its relation to fellow human beings and the historical situation. Modern man, placed in his situation, has to face the fragmentation of being outwards and inwards as well as the dialectic of unity and difference. This also includes the opposition of mind and body, which must be dealt with in just as real a way as we are called upon to act in order to realise a humane order.
Artistically, the problems of identity, fragmentation and the dialectic of being are taken up by me in a new cycle of works with the means of sculpture, plastic and photography. Differing materials, forms and processing methods are intended to make contrasts, differences and contradictions clear, but at the same time also their mediation in the self. The threefold approach does not follow a fundamentally uniform scheme, so that there are only variations in the individual versions of the works; instead, the respective theme is developed specifically in terms of material and technique.

If the threefold works are subsumed under the concept of the series, we have in the first series sculptures of different sizes that use the starting material aluminium and are produced in the sand casting process. After moulding and casting, a different finishing process takes place, the starting point of which is always related to the surface conception. Depending on the desired grain, the surfaces are treated with steel shot or glass beads and also polished in individual areas. In this way, contours rich in contrast are created, which symbolically show the conflicting outside and inside of the identities in a relationship of tension with the outer forms.
Thematically, a concrete problematising type, i.e. an abstract person in the form of a metaphor, such as the "marathon runner", may be addressed. As a rule, however, I deal with conditions, situations or sensitivities that refer to inner problems of identity formation. In this respect, works such as "Kopfbahnhof" or "Transformations-grammatik" are worth mentioning.
The work "Sonne und Mond" (Sun and Moon) is an exception, because here only polished surfaces are produced, albeit with speckles in the material, so that the tension rich in relationship results only from the forms of the individual parts. The title, incidentally, does not refer to two universal symbols, but alludes to the main work of the Austrian writer Albert P. Gütersloh, whose main figures represent "two functions of a single person" and are assigned to each other like the sun and the moon.
The second series consists of sculptures whose material basis is wood with the aid of wood filler and acrylic. The surfaces are usually differently contoured by machine processing with saws, brushes and discs, so that extremely moving surfaces could be developed. Individual pieces were broken out of larger pieces of wood after sawing. As a result, the surfaces show deep fractures and incisions. The bodies as bearers of the persons struggling for their identity or their states reflect, as it were, on the outside the laborious process of the search for individual identity. Formally, the impression may arise that the unity of the person has been blown up, that the inside has been turned inside out and the possibility of personal coherence has been lost. The further treatment of the surfaces with metal-effect paints in different colours relativises this disjointedness, as the uniform colouring acts as an integrating framework. Nevertheless, the aim is not to achieve an external unity of the body, but rather to create alienation through the respective metal effect in order to emphasise the fragility of the formation of the self in our time.

In addition, I have avoided parallelism in the shape and structure of the plastic bodies. Both the positions on the bases and the layout of the sculptural objects can differ. The outer form is sometimes changed to such an extent that in borderline cases, according to the conditions of the outer dimensions, a considerably different, and therefore new, work is created. This becomes most obvious in the versions of the "Migrant": the towering metal sculpture, created in one piece, is juxtaposed with a much smaller wooden sculpture consisting of two objects.
The wooden sculpture "Body Image" occupies a special position in the new cycle of works. It was not executed as a metal casting. In its isolation and its striking shape and colour, it is intended to form a link between the series of works. Finally, it should be noted that some of the sculptures, such as "The Marathon Runner" (metal casting), still have to be finished.
In a third series of photographic works, I have attempted to give the objects a pictorial reality of their own by varying the detail, the angle of view, the arrangement and the treatment of light and colour. The photo is to become a sculpture, so to speak, and thus open up new approaches to the sculptural works. At the same time, it is a game with "body identities" whose inner and outer consistency can never be clearly defined.

Nebeneinander II
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