Leseprobe: "Schlechtes Leben war mehr zu fürchten als der Tod", S. 6 f.
Schlechtes Leben war mehr zu fürchten als der Tod
Er konnte sie nicht kennen –
Doch waren es viele,
Aufgereiht in langer Folge,
Maskengleich die Gesichter,
Profil zeigte nur die Lederjacke –
Die unvermeidliche –
Kennzeichen:
Grob gegerbtes Material
Dickwandig
Gediegene Knöpfe
Zweireihig geführt
Faltig
An manchen Stellen
Verlust von Farbe
Doch untrüglich tauglich
Für jeden Gang –
Fahle Köpfe
Kurzgeschoren
Randlose Brille
Silbernes Gestell
Zeitlos –
Stürzende Worte
Im einförmigen Chor,
Worte,
Die Tag und Nacht nicht trennen mochten,
Träume so nah
Ließen Anderes vergessen –
Und hinter Zäunen
Feinde –
Viele Feinde
Weder Gesicht weder Namen
Weder Ort weder Zeit
Wie sie selbst –
Nur einen Freund kannten sie,
Das wissentliche Sehen,
Geronnen in profunder Begrifflichkeit:
Die Lehre vom Widerspruch
Theorie und Praxis
Und nicht zuletzt
Der historische Prozess –
Die Gedanken stets voraus,
Denn schlechtes Leben
War mehr zu fürchten
Als der Tod,
Offenbarte sich Verwirrung,
Das Heute widersprach –
Fragen nach dem Brotpreis
Miete und Schulgeld
Lohn und Abgaben
Erzeugten Gelächter –
Der Blick barg nur das Morgen,
Gewichtig sich breit machend
An einem Ort,
Wo rote Äpfel
Ihm ein Lager boten.