Leseprobe: "Die Leiter", S. 36 f.
Die Leiter
Die Leiter führte
Auf den Bodenraum,
Schlicht gebaut,
In ihrer Schmalheit empfindlich,
Vielleicht zerbrechlich gar,
Was nicht jeder
Bemerken mochte.
Jedenfalls
Wurde sie oft benutzt,
Eifrige, schnelle Schritte,
Die Schräge empor
Zu einem Raum,
Der als Ort des Wissens
Bedeutung beanspruchte.
Wie viel Mühe
Hatte es gekostet,
Kästen
In sinnvoller Ordnung
Zu reihen,
Stichworte
Sichtbar
Anzubringen,
Verweise
Zu entwickeln,
Jahrgänge im Halbrund
Dem schnellen Zugriff
Zu sichern.
Der Herr des Raums
Hatte keine Anstrengung ausgelassen,
Keine Zeit gescheut,
Einen Schatz des Wissens
Anzulegen –
Ein besonderes Wissen,
Aktuell,
Immer der Zeit angemessen,
Das,
So glaubte der Herr,
Nicht nur Anlass
Für Gesprächsstoff bot,
Sondern dem Puls des
Gegenwartsgeschehen folgte –
Möglicherweise,
In der Summe,
Gar der Zeit voraus war.
Nun saß er da,
Las ununterbrochen,
Folgte den Querverweisen,
Wechselte zwischen Jahrgängen
Aufgeregt hin und her,
Verbesserte
– Zwischendurch –
Die Systematik,
Erweiterte den Raum,
Schuf Platz
Für weiteres Wissen.
Durch ein vom Atem
Benetztes Dachfenster
Drang Licht
Von außen ein;
Die Luft des Raums
Hatte einen eigenen
Geruch angenommen;
Sie lechzte nach Austausch,
Nach Phasen des Erneuerns –
Das schien die Gestalt
Inmitten geordneten Wissens
Nicht zu bemerken –
Sie las fieberhaft
In den Kommentaren
Wichtiger Wochenblätter,
Gepeinigt von der Angst,
Den Faden
Des Zeitgeschehens
Zu verlieren.